
Traumfänger
Ist Charakter gefordert? Der Moment, wenn einzelne Menschen zusammentreffen und Frauen ihre Methodik von Feminismus noch mal überdenken müssen. Wenn alles ins Wasser fällt, wer fängt einen, wenn die Atmosphäre kippt wie die übergebliebene Pappe, die einfach daneben liegt, aber nicht da, wo sie sollte.
Geht es jetzt um cool spielen? Wenn es um den Rest der Frau geht, dann ist auch damit nicht zu spaßen. Sein letzter Tritt und mein Werk ist vollendet: siehe da, ich gebe ihm die Hand dafür, dass er nicht weiß, ob er mich wegen den anderen nicht wählen soll oder allein wegen mir. Seine Person steht außen vor, als er sich mitfühlend und in großer Statur den Leuten zuwendet. Dafür Gratulation, drückt meine Hand: hier hast du deinen Trümmerhaufen. Und es kam mir so vor, als würde er es mir nur bescheren wollen. Ein Klicker, um mit dem Verlust eines Menschen unerträglich umgehen zu können. Vielleicht hat er eine Vorliebe für Theater? Wenn er so mit mir umgeht, dann könnte er als Angriff sehen, ihn genau deswegen in die Enge zu treiben – nur eine Falle, um zu provozieren und ein Beispiel aus dem zu machen, was nie sein sollte.
Ich habe mich angegriffen gefühlt. Nicht so, dass er plötzlich vor mir steht und einen halben Albtraum wahr werden lässt, wenn die Luft so dünn wird, dass sie für einen Moment die schlimmsten Fantasien aufblühen lassen. Fatal. Keiner will Geschichten hören, in denen die tolle Frau doch weggeschmissen wird, zwar nicht wie ein ungebetener Gast, aber so, als wäre es genau richtig, dass sie die Tür verlässt. Als ich ihn kennengelernt habe, ähnlich wie ein Puppenspieler, schien es mir so, als hätte er bei einem Anfang einen Punkt gesetzt. Der Grund war, dass ich weiblich bin. Manchmal ein Vorzeigebeispiel, um Dinge nicht mehr rationell betrachten zu können. Der Dunst des Tages zog vorbei, als hätte sich der Tag schon längst dem Tag geneigt – in Anbetracht zu dem, was noch ansteht, eigentlich völlig nebensächlich. Ansonsten gibt es Helden. War er ein Held, um andere Helden zum Scheitern zu bringen?
Ein gab gedanklich einen nie endenden Tagtraum darüber, endlich Richtung Horizont zu fahren. Ansonsten kam es so rüber, dass er nur den Knüppel aus dem Sack holen wollte, um mir die im kleinsten Detail einfach ungefragt wichtige Lebensfragen nochmal vorzuhalten. Gleichzeitig zu unberechtigt, dass mir seine Gesten inklusive seinem Theater auf einen Nenner kommen und mir zu nahe kommen. Was willst du wirklich? Ein geziertes Lachen auf seinen Lippen und pure Begeisterung. Nachdem wir länger gesprochen hatten, schien es mir, als hätte er bei den vielen zusammengeknüllten Zetteln ausgerechnet einen von mir gelesen. Dabei waren die Traumfänger so normal und schimmerten gedanklich wie eine neue Schneeflocke. Sein kleines Schmunzeln auf seinem Gesicht hinterließ widersprüchliche Gedanken auf seinem Gesicht, aber die Luft war zu schwer, als dass er eine Bemerkung wie einen Schrei von sich hätte geben können.
Wenigstens hatte ich das positive Vorurteil, er sei einer von denen, die nach irgendeinem Wert streben, der unumstritten sein kann, wenn man ihn erreicht. Strebt er wirklich nach dem Wert oder zeigt er nur Interesse? Der zusammengefaltete Zettel, nicht mal mühsam geschrieben, war in seinen Händen schon längst zerknüllt. Vielleicht hatte er auch schon einen Strich über meinen Plan gemalt. Aber er war so nett, dass er ihn nicht als durchsichtig betonte. Der Typ schien nicht mal zu wackeln bei dem Gedanken, meine aufblühende Lebensrealität einen gebrauchten Waschlappen wieder wegzuschmeißen. Es gab zumindest nicht den Anschein, dass er unbedingt entgegen den Horizont fahren wollen würde, aber wenigstens ließ er nicht den Zweifel aufkommen, dass er es uns beiden nicht gönne könnte.
Mir wurde eine Rechnung zuteil. Konnte es eine sein, wenn es sich nicht so anfühlte? Mein Körper fühlte sich so schwer an, bis er mir einen merklichen Luftzug entzog. Mit sichtlicher Rührung in seinen Augen fühlte es sich an, als müsste er mindestens eine halbe Lüge über mich herausfinden. Ich stand auf, nur um mich wieder schwächer zu fühlen. Ich sackte fast wieder auf dem Stuhl zusammen, der so bequem bereitstand. Den Rucksack immer noch auf meinen Schultern, bei dem sich das Band fast schon von selbst löste.
Gab es eine dumme Gans, die offensichtlich nicht als eine betrachtet wurde? Die aufgestaute Luft verhielt sich in Dämlichkeit, die deswegen wieder nur so feierlich wurde. Ein kleines Theaterspiel, immer noch. Wir sprachen nicht darüber, aber das Gelände des Gebäudes war einfach so groß, dass diese Tatsache nur mehr zu meiner allgemeinen Unsicherheit beitrug. In der Fantasie nur eine Vorstellung: wie ich, kleiner als ich bin, auf dem großen Gebäude nicht mal hastig umherirre. Vielleicht ist das Problem, dass man es manchen Männern dann doch nicht zu eilig hat und ihnen begegnet. Irgendwie wollen sie in meiner Situation mitreden: egal wie, ihre unangebrachte Abgestoßenheit zu der ganzen Situation verschmähte die Atmosphäre und ihr eigener Dünkel kam noch hinzu. Bisher war es nicht so schlimm, wenn Schritte plötzlich so laut auf dem Boden nachhallen. Nach all dem Trotz, den ich fühlte, ließ ich die lauten Schritte über mich ergehen. Mich überkam das bestimmte Gefühl, dass mein sicherer Blick nicht verdient waren. Ein berechtigtes Gefühl. Wobei er sich sichtlich die Mühe gegeben hatte, die kurze Zeit in ein dunkles, gespanntes Tuch zu tunken. Aber wenigstens stand er mir nicht gegenüber und trat mir nicht auf die Schuhe, dass es weh tat. Anstand muss wie Abstand gelten - ich drehte mich um und blickte in ein loderndes Feuer, aber es wärmt nicht. Seine Augen geben keinen Hoffnungsschimmer, wenigstens nicht auch ein Helfer zu sein.
Nach einer kurzen Zeit betonte er den Traumfänger, der so gelassen in seinen großen Händen lag. Dann vermittelte er mir das Gefühl, dass es wohl die falschen Personen gelesen haben. Selbst jetzt versetzt er den Tritt, der nicht nötig war, um das Gespräch wie leichte Luft dahin zu blasen und das Gespräch im Boden versacken zu lassen, nur um mich vor einen Scheiterhaufen zu setzen. Dann sagt er, es sei ihm egal, lass uns doch ein bisschen drum herum reden, während es um das geht, was wirklich wichtig ist.
Ein Haustier: liegt so besonnen in der Sonne, so lange auch, vergleichbar, als wenn ich für einen kurzen Moment die Augen schließe. Nachdem er sich nach dem Blick, der so kurz erschien, von seinem Gefühl leiten ließ, kam in ihm die Frage auf, seine schützende Hand darüber zu halten und mich so zu lassen. Oder eben deswegen mich zu ihm zu holen und zu zerstören. Für einen Augenblick durchfuhr ihn ein heller Strahl in den Augen, aber danach entschloss er sich dazu, mich dort in der Sonne zu lassen und meinen Traum gleich mit. Kein Frieden.
Ich blicke in seine Augen und meine nicht, Frieden zu finden. Gibt er sich Mühe, eine Bedrohung darzustellen? Hätte er mir einen Kaffee angeboten, dann wäre er mir kalt den Hals runtergelaufen. Die Lampe fängt plötzlich an zu flattern, aber das Licht scheint nicht. Waren alle Zeilen von Feminismus hinfällig, wenn er so war? Plötzlich überfährt ihn sein unerreichtes Lachen und drückt die Minderheit von dem aus, was ich sagen wollte. Dann bläst ein lauwarmer Wind ihm noch über die Schulter, als hätte er seine Attraktivität mit seinem Theater noch hochgeschaukelt. Manchmal frage ich mich, ob manche Frauen mehr beklaut werden als andere, während er nur einem ganz eigenem Motto folgt. Auf der Suche nach etwas, das er nicht fressen kann, aber nicht so unbequem wie die anderen, die Leute im hellen noch dunkler stehen lassen. Ein kalter Schauer überkommt mich. Die Lampe gibt immer mehr Licht von sich und ist für einen kurzen Augenblick eine Entdeckung, an dem meine Augen haften bleiben. Ich versuche ihm aus Mitgefühl ein schwingendes Gefühl zu geben, was seiner Art gleich kommt und es scheint immer noch, als gefalle es ihm nicht. Alles seine Art, um die Dinge zu machen und zu erledigen. Imaginär zieht er seinen Schuh aus und zieht sich einen neuen an. Keinen, der Geräusche macht.
Von einem Moment ist es mir auch nicht mehr schon lange nicht unwichtig, wie er übertrieben gestikuliert, als müsste er eine Rolle spielen. Auf einmal drückt er mir einen Schuh in die Hand, der nicht passt und sagt, ich soll gehen. Der Schuh passt, aber die Schnüre sind zu eng geschnürt, als dass man den Schuh so einfach über den Fuß gleiten lassen könnte. Dann sitzt er, bis das Blut an den Hacken zergeht. Ist das Kunstblut? Der kleine Baum nebenan schaukelt hin und her und der Ast fängt an, zu brechen und dabei keinen lauten Ton von sich zu geben. Dann redet er mit mitfühlender Stimme zu mir und sagt, ich kann meinen Rucksack gleich fallen lassen. Der hoffnungsvolle Träger, der eigentlich keine Rolle spielt. Einfach über Bord werfen.
Der Abschied naht sich dem Ende. Seine Hand berührt meine, ich bin kleiner als er und sein Herz ist klein. Während er mit keiner Peinlichkeit in seinen Augen von mir ablässt, hatte er schon längst meinen Rucksack über Bord geworfen. Ich wäre mir sicher, bei einer anderen hätte er es anders gemacht. Und bei all der Besonderheit lässt er mich gehen und alleine.
Er hat die Schuhe zu lange getragen, um einer seiner Charaktereigenschaften bei mir ablassen zu können. Und die Schuld erhebt sich unausgesprochen in einer großen, grauen Wolke. Er würde bestimmt weiterhin ein Lächeln auf seinen Lippen tragen.